Liebe – das ganz große Gefühl

„Seid niemandem etwas schuldig, außer dass ihr euch untereinander liebt!“ Römer 13,8

„Ich liebe dich!“ Dieser Satz löst positive Gefühle aus. Wenn ihn in einem Liebesfilm Pärchen zueinander sagen, schmelzen Romantiker dahin. „Ach, wie schön!“ Und wenn ich es bin, der mit diesem Satz gemeint ist, dann …

Hören wir ihn in der Ehe noch? Hören ihn unsere Kinder noch? Hören wir ihn in der Gemeinde noch? Lieben wir einander noch? Sagen wir es uns noch, dass wir einander lieb haben? „Du bist geliebt!“ Welch eine Kraft darin steckt!

Wordcloud LiebeNormalerweise freuen wir uns über diesen Satz. Wer wird nicht gerne geliebt. Wobei es ja schon ein Unterschied ist, ob meine Mutter zu mir sagt, dass sie mich lieb hat oder meine Frau. Das eine tut gut, das andere ist grandios.

Irgendwie scheint es da Unterschiede zu geben. Welche sind das? Wieso meint „Ich liebe dich!“ nicht immer das Gleiche?

Ein Blick in die altgriechische Sprache eröffnet uns hier die Vielfalt dieses Begriffs. Wofür wir gerade mal einen Begriff haben, hat die griechische Sprache gleich vier Begriffe.

Philia – die Freundesliebe

Am meisten verwenden wir „Liebe“, wenn wir die PHILIA meinen. Meine Freunde lieben mich, meine Nachbarn lieben mich, meine Klassenkameraden lieben mich, usw.

Hier basiert die Kraft des Wortes auf Sympathie. Da stimmt einfach die Chemie. Da ist einer nett. Da verhält sich einer höflich. Man freut sich am andern, weil er einem einfach gut tut. Man spielt zusammen, man erlebt Dinge miteinander, man plant den gemeinsamen Urlaub.

Storge – Familienliebe

Nicht so bekannt ist das Wort STORGE. Es meint die Liebe, wie sie in einer Familie oder einer Blutsverwandtschaft herrscht.

„Blut ist stärker als Gold!“ schrie einmal eine Frau in der Eheberatung und warf ihrem Mann den Ehering um die Ohren. Die liebevolle Bindung an die Herkunftsfamilie kann eine Kraft sein, die gemeinsam Probleme überwindet, sie kann in einer Ehe aber auch selber zum Problem werden, wenn man sich von der Herkunftsfamilie nicht genügend löst und z.B. die Liebe der Mutter wichtiger ist, als die Liebe der Frau. Oder im Alter die verpflichtende Liebe zu den alten Eltern stärker ist als zum Partner.

Eros – Die Sexuelle Anziehung

Der dritte Aspekt der Liebe ist der heute Meistverbreitete. SEXUS oder EROS beschreiben die sinnliche Liebe, die den andern begehrt, weil er eine körperliche oder erotische Anziehungskraft hat. Meistens ist der Begriff heutzutage auf diese Bedeutung reduziert.

Das große Problem dabei ist, dass dieses Anziehungskraft schnell nachlassen kann und man dann zum Ergebnis kommt, dass man einander nicht mehr liebt. „Wir haben uns auseinander gelebt!“

Dieser Klassiker in der Eheberatung meint: Wir haben zum einen nichts dafür getan, dass wir Freunde geblieben sind und erleben den Wandel der Empfindungen als Verlust der Liebe. Man ist geradezu dem Schicksal ausgeliefert. Pech aber auch.

Agape – Liebe ohne Voraussetzung

Den ersten drei Bedeutungen des Begriffs Liebe ist gemeinsam, dass es Voraussetzungen für die Liebe braucht. Man findet den andern nett, ist mit ihm verwandt oder er ist anziehend. Liebe ist also nicht voraussetzungslos. Sie liebt, weil …

Demgegenüber steht die AGAPE. Sie gründet nicht auf Voraussetzungen, sondern allein auf freiem Willen.

„Ich liebe dich!“ ist kein romantisches Ja, sondern eine feste Entscheidung, die unabhängig von Voraussetzungen ist. Diese Liebe geht so weit, dass sie sogar den Feind lieben kann. Sie kann sich für die Liebe entscheiden, selbst wenn der andere alles andere als liebenswert ist. Diese Liebe überwindet sogar den Hass.

Liebe – Ein Geschenk von Gott

Das packt doch keiner! Diese Liebe ist menschenunmöglich. Deshalb ist sie die Liebe, die Gott selber ist, selber hat und gerne schenken will.

  • Diese Liebe war es, die Israel als sein Volk erwählt hat.
  • Diese Liebe war es, die Gott hat Mensch werden lassen.
  • Diese Liebe war es, die Jesus hat für uns sterben lassen.
  • Diese Liebe ist es aber auch, die ausgegossen ist in unsere Herzen! (Rö 5,8)

Jawohl, Gott möchte, dass wir Teil seines Liebesplans werden und nicht nur lieben, weil Menschen so nett und liebenswert sind, sondern obwohl sie so sind, wie sie sind. Den nervigen Ehepartner, den uneinsichtigen Nachbarn, das seltsame Gemeindeglied usw.

Liebe ist das Markenzeichen der Christen (Joh 13,34f). Mehr ist nicht geboten! (Rö 13,8)

Ich entscheide mich dafür, dich nicht zu verurteilen, sondern zu lieben! Weil auch wir Geliebte sind. Das ist Agape. Ob uns das untereinander gelingt?

Bernhard Kuhl